Der Bus ist im ländlichen Raum alternativlos

Wie sieht die Mobilität von morgen aus – und welche Rolle spielen Busse dabei? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigte sich der 2. Bündnis-Tag Digital des NRW-Verkehrsministeriums. Dirk Hänsgen, Geschäftsführer von go.on – Gesellschaft für Bus- und Schienenverkehr mbH sowie bdo- und NWO-Vorstandsmitglied, diskutierte als einziger Vertreter der privaten Omnibusbranche mit.


Welchen Herausforderungen sehen Sie sich als privates Unternehmen ausgesetzt?
Dirk Hänsgen: Eine enorme Herausforderung ist sicherlich die Umstellung der Busflotten auf emissionsfreie Technologien. Die technischen Hürden sind dafür hoch und der Ausbau der Infrastruktur ist teuer. Es muss in die notwendige Infrastruktur auf den Betriebshöfen, ins Know-how und in die Qualifikation der Werkstattmitarbeiter investiert werden. Private Omnibusunternehmen können das allein nicht stemmen. Hinzu kommt, dass die Bündellaufzeiten in den Öffentlichen Dienstleistungsaufträgen häufig nur sieben bis acht Jahre betragen und die Investitionskosten in eine solche Infrastruktur in dieser Zeit kaum abzuschreiben sind. Ein letzter Punkt ist die Anbindung der Betriebshöfe an eine ausreichende Stromversorgung für die Ladeinfrastruktur. Diese wird leider vom Land nicht gefördert.

 
Sehen Sie sich hier stärker betroffen als kommunale Anbieter?
Hänsgen: Durchaus. Ein kommunales Verkehrsunternehmen hat sowohl mehr personelle als auch finanzielle Ressourcen, um solche Projekte umzusetzen. Nehmen Sie als Beispiel die Kölner Verkehrs-Betriebe, die in einem Joint Venture mit dem Hersteller VDL eine komplette Buslinie elektrifiziert haben. Oder die Hamburger Hochbahn, die einen neuen Betriebshof nur für E-Busse gebaut hat – mit idealer Infrastruktur und allen notwendigen Einrichtungen. Dies ist einem privatwirtschaftlich arbeitenden Unternehmen so nicht möglich. Dennoch investieren auch wir in Fahrzeuge mit umweltschonenderen Antrieben. Denn am Thema Klimawandel kommen wir alle nicht vorbei. Wir beschaffen derzeit sogenannte „Mild Hybrid“-Fahrzeuge. Diese werden im kraftstoffzehrenden Anfahrvorgang von einem elektrischen Antrieb unterstützt, der aus zurückgewonnener Bremsenergie gespeist wird. Diese Fahrzeuge haben einen um bis zu 20 Prozent geringeren Kraftstoffverbrauch als vergleichbare Euro-VI-Fahrzeuge und kosten in der Beschaffung nur 10 000 bis 15 000 Euro mehr als ein konventioneller Euro VI.


Wo sehen Sie weitere Probleme?
Hänsgen: Auch das Thema Dienst und Umlaufplanung ist im Zusammenhang mit der Elektrifizierung einer Busflotte von großer Bedeutung. So müssen die Reichweiten der Fahrzeuge, bei uns speziell im Regionalbusbereich mit vielen Umlaufkilometern, berücksichtigt werden. Ein Opportunity Charging an den Wendepunkten im Linienverkehr ist aus Kostengründen schon nicht möglich. Und wie bereits erwähnt: Förderung gibt es für Investitionen in die Infrastrukturtechnik – aber eben nur ab dem Hausanschluss. Die Kosten der Zuleitung trägt der Nutzer selbst. Die Fahrzeuganschaffung wird zwar mit 60 Prozent der Differenz zu einem herkömmlichen Antrieb gefördert, da die Amortisierung des E-Antriebs aber erst nach einigen Jahren einsetzt, ist diese Investition für den Privatunternehmer zusätzlich belastend.


Mit der „Clean Vehicle Directive“ (CVD) schreibt die EU-Kommission feste Quoten bei der Beschaffung möglichst emissionsarmer Fahrzeuge vor. Vor welche Herausforderungen stellt das die Busunternehmen?
Hänsgen: Zunächst sollte erst einmal darüber entschieden werden, ob sich die vorgegebenen Quoten zur Beschaffung von emissionsfreien Fahrzeugen auf eine Bundes-, Landes- oder sogar auf eine Quote pro Beschaffungsvorgang bezieht. Letztgenanntes würde unweigerlich dazu führen, dass die Haushalte der Aufgabenträger übermäßig strapaziert würden, weil sie in ihren Dienstleistungsaufträgen diese Quoten ausschreiben müssten. Mit den jetzt bereits erworbenen Erfahrungen der großen kommunalen Verkehrsbetriebe und ihren bisherigen Beschaffungen von E-Bussen hielte ich eine Quote auf Bundesebene zwar für ambitioniert, aber für umsetzbar. Eine vom einzelnen Beschaffungsvorgang abgekoppelte Quote, etwa eine Bundesquote, hätte den Vorteil, dass Investitionen in emissionsarme Fahrzeuge und entsprechende Infrastruktur zunächst dahin gelenkt werden könnten, wo sie im Interesse der Luftqualität vorrangig gebraucht werden: in den Ballungsräumen. Im ländlichen Bereich sollten wir hingegen flexible Lösungen suchen, etwa den bereits erwähnten Einsatz von „Mild Hybrid“-Fahrzeugen.


Die Corona-Pandemie hat im ÖPNV 2020 tiefe Spuren hinterlassen. Fahrgastzahlen und Einnahmen sind massiv eingebrochen. Erlebt der Bus dennoch eine Renaissance?
Hänsgen: Gerade im ländlichen Raum ist der Bus alternativlos. Mit ihm lassen sich große Räume erschließen. In Verbindung mit intelligenten Bedienformen wie „On Demand“ oder Rufbussystemen eröffnet der Buseinsatz hier eine sehr hohe Flexibilität, um dem veränderten Kundenverhalten im ÖPNV schnell Rechnung zu tragen. Um die Mobilitätswende zu schaffen, muss deshalb der öffentliche Nahverkehr weiter ausgebaut werden. Der Bus kann sehr schnell zur Unterstützung und/oder Entlastung oder sogar zur Beschleunigung (Taktverdichtung) von SPNV-Systemen dienen. Neuplanungen von Stadtbahntrassen benötigen dagegen einen enorm langen Vorlauf. Und: Es wird auch ein Leben nach Corona geben, vielleicht anders, als wir es gewohnt waren, möglicherweise weiterhin mit hohen Schutz- und Hygieneregelungen. Aber auch künftig müssen Menschen zur Arbeit oder Kinder und Jugendliche zur Schule fahren. Die Beförderung mit dem Bus ist nachgewiesen umweltfreundlicher als mit dem eigenen Pkw. Vor diesem Hintergrund: Einsteigen lohnt sich.


Info
Zahlen: Der Verband Nordrhein-Westfälischer Omnibusunternehmen (NWO) mit Sitz in Langenfeld vertritt die Interessen von rund 430 mittelständischen Busunternehmen. Insgesamt haben die privaten Busunternehmen in NRW rund 14.000 Beschäftigte. Diese leisten einen erheblichen Beitrag zum ÖPNV in NRW. Nahezu 40 Prozent der Fahrleistungen im ÖPNV werden durch private Omnibusunternehmen erbracht. Der Schulbusverkehr im Auftrag der Kommunen wird fast zu 100 Prozent durch private Omnibusunternehmen erbracht. Jedes Jahr befördert die Branche im einwohnerstärksten Bundesland zudem rund zwölf Millionen Fahrgäste im nationalen und internationalen Reiseverkehr.

Bildunterschrift (Fotoquelle: NWO)
Dirk Hänsgen ist Geschäftsführer von go.on – und engagiert sich im Vorstand des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) sowie des Verbands Nordrhein-Westfälischer Omnibusunternehmen (NWO).